Noch niemals bin ich in einem Fahrstuhl stecken geblieben. Nun ist es mir auf einer Reise durch Indien doch passiert.
Ich setzte mich zu dem mittelalten Mann ins Abteil. Plötzlich hielt der Zug und die Lichter gingen aus. Trotz meiner Beklemmung begann ein Gespräch.
Wenn fremden Menschen in der Öffentlichkeit etwas Peinliches passiert, fühlt es sich falsch an, dabei zu sein. Man wird zwangsläufig Teil der Situation.
Manchmal bricht Märchenhaftes in das Leben und lässt es besonders klar erscheinen. Und manchmal beginnt das mit einem Wolf auf den Gleisen.
Unterhaltungen zwischen Fremden haben am Anfang oft etwas Ungelenkes. Schön zu beobachten, wenn das Ungelenke langsam einem Lächeln Platz macht.
Wenn ich Schnee sehe denke ich daran, wie ich mal mein Portemonnaie im Wald verloren haben. Denn das Portemonnaie und sein Schicksal waren besonders.
Der Mann umklammert seinen Kaffee und setzt sich an den Tisch neben uns. Er sieht krank aus. Aber er hat keinen anderen Ort, an den er gehen könnte.
Das Paar im Zug hatte nicht den gleichen Humor. Aber das machte nichts. Es reichte, dass sie lachte und er sie für ihr Lachen liebte.
Die Frau redete auf die Apothekerin ein, um ihren Frust los zu werden. Die Apothekerin blieb ruhig und bestimmt. Es war ein erster Schritt zur Heilung.
Ich war in einem Waffle House in North Carolina, um das Land und die Leute vor Ort kennen zu lernen. Ich wurde reich beschenkt.
Ein Mensch bittet in einer vollen Bahn um ein bisschen Geld, und alle schauen weg. Aber es geht auch anders, in einer Kneipe in Hamburg-St. Pauli.
Ich willigte ein, dem mir kaum bekannten jungen Mann die Stadt zu zeigen. Und entdeckte sie durch seine Augen neu.
Mit dem Mann nachts in der S-Bahn stimmte etwas nicht. Er lief herum und streckte den Leuten seine leeren Hände entgegen. Und dann schrie ein Mädchen.
Es ist schwierig, ein von fremden Leuten geschmiertes Brot anzunehmen – vielleicht, weil es so etwas Persönliches ist.
Wenn Krähen in der Brutzeit ihr Spiegelbild sehen, begreifen sie sich als Rivalen und hacken auf sich selbst ein. Uns Menschen geht es oft ähnlich.
Spät nachts komme ich in Berlin an und brauche ein Bett, weil kein Anschlusszug mehr geht. Alle Hotels sind voll. Mir hilft, das Gefühl rauszulassen.
"Ich bin nicht rechts, aber..." sagte der Mann in der Kneipe. Ich habe mit ihm geredet, um im Gespräch zu bleiben. Danach fühlte ich mich verraucht.
Christa Pfafferott schreibt die Kolumne "Zwischen Menschen" für die taz. Sie wurde zum Dr. phil. in art. an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg promoviert. Sie hat zuvor Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert und die Henri-Nannen-Journalistenschule absolviert. Sie lebt als Autorin und Regisseurin in Hamburg.